Das Konzept der Fachmesse steht auf dem Spiel. Mit nie dagewesenem Aktionismus versucht die Baselworld das Ruder rumzureißen. Doch wozu braucht es Händlermessen, wenn die Hersteller selbst verkaufen wollen? Eine Analyse von Ulrich Voß, Chefredakteur „Blickpunkt Juwelier“.
Die plötzliche Flexibilität von Baselworld und SIHH erstaunt. Zahlreiche Absagen hatte es in den vergangenen Monaten für beide Messen gegeben – im Fall von Basel waren die Kündigungen nur die sichtbaren Auswirkungen einer latenten, seit Jahren bestehenden Unzufriedenheit der Aussteller. Die Baselworld war für viele Hersteller ein Pflichttermin – mit zahlreichen Kröten, die sie schlucken mussten. Eben weil die Baselworld eben die Baselworld ist. Sprich, weil es keine Alternative gibt.
Und auch die beiden SIHH-Absager haben nicht mit Generalkritik am Messekonzept gespart. Audemars Piguet und Richard Mille, die ab 2020 nicht mehr in Genf ausstellen werden, haben vor allem den fehlenden Bezug zum Konsumenten angeführt. Bei den beiden Luxusmessen in Basel und Genf liegt die Zukunft wohl in einer Konsumenten-Ausrichtung.
Diese Kritikpunkte scheinen nun blitzartig in das Bewusstsein der Messemacher gedrungen zu sein. Vor allem der neue operative Chef der Baselworld, Michel Loris-Melikoff, hat in den wenigen Wochen seiner Amtszeit viel Neues angestoßen. Die Termin-Koordination von Baselworld und SIHH ab 2020, die Mitte Dezember in der Branche für Furore gesorgt hatte, ist da nur ein Punkt. Das grundsätzliche Problem aber ist noch unangetastet. Welche Funktion sollen die Messen haben?
Fragt man Fabian Meister, bekommt man eine Antwort aus mehreren Perspektiven gleichzeitig. Fabian Meister ist zum einen Chef eines Schweizer Unternehmens. Trotzdem hat er sich vor zwei Jahren gegen die Baselworld entschieden. Im Interview mit „Blickpunkt Juwelier“ sagt er: „Ich bin froh, diese Entscheidung getroffen zu haben, bevor es mit der Messe bergab ging. Eigentlich wollte ich auf der Baselworld ein anderes Umfeld für meinen Messestand haben. Daraus ist nichts geworden. Deswegen habe ich die Messe verlassen.“ Auch heute sehe er keinen Grund zur Baselworld zurückzukehren. Zum anderen ist Meister der Chef einer Schmuckfirma. „Basel ist eine Uhrenmesse – da sind wir immer in der zweiten Reihe“, sagt Meister.
Die Inhorgenta aber, die schätzt Meister überaus. Warum? Auch das begründet er: „Die Inhorgenta war früher mal weit weg vom Juwelier. Heute ist sie das nicht mehr. Heute kann sie dem Händler Antworten geben.“ Dies ist der springende Punkt. Im Vergleich zu Basel habe die Inhorgenta derzeit das schlüssigere Angebot, sagt Meister. Und meint dabei das Angebot für Aussteller und Händler.
Verkürzt gesagt kann man sagen, dass die Messe eine Zukunft hat, die eine wichtige Funktion innehat. Für das Segment Luxusuhren scheint diese Funktion derzeit nicht klar definiert zu sein. Wozu braucht ein Hersteller eine B2B-Messe, wenn er ohnehin selbst verkaufen will? Beim Schmuck dagegen bleibt der Juwelier im Fokus – und somit die Funktion der B2B-Messe als gemeinsamer Treffpunkt von Hersteller und Händler derselben Produkte.
Folgerichtig wären all diejenigen Firmen, die noch auf B2B-Messen ausstellen am Fachhandel interessiert. Stimmt dann auch der Umkehrschluss? Dass diejenigen Firmen, die nicht mehr ausstellen, nicht mehr interessiert am Juwelier sind? Guido Abeler, Chef des größten deutschen Schmuckgroßhändlers CEM Engelkemper, gibt eine indirekte und doch klar verständliche Antwort: „Wenn ich als große, bundesweit tätige Firma mit dem Vertriebsweg Juwelier die Inhorgenta auslasse, kann man durchaus auch mangelndes Interesse oder andere Schwerpunkte vermuten.“ Die Inhorgenta wäre damit ein Frühwarnsystem für deutsche Nicht-Luxus-Juweliere. Die anderen kennen diese Probleme bereits aus Basel.
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