Sind Sie sicher?

Juweliere sind ein begehrtes Ziel für Einbrecher. Nicht immer sind sie so spektakulär wie im Fall Juwelier Skrein diesen Oktober, doch Einbrüche, Überfälle und Trickdiebstahl gehören vor allem für die Uhren-Schmuck-Branche leider zum Alltag. Dabei gehen die Täter immer dreister und brutaler vor. Sicherheitsmängel laden sie dazu oft regelrecht ein. Grund genug für Juweliere, ihre Sicherheitssysteme und Versicherungen einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

Auch wenn es in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden zu sein scheint punkto Raubüberfälle und Trickdiebstähle, sollte sich die Uhren-Schmuck-Branche nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen. Schon morgen kann es jeden von Ihnen treffen.

Es trifft nur die Anderen

„Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andere an.“ Dieses mittelalterliche Sprichwort gilt auch in der Juweliersbranche. „Jeder ist fest davon überzeugt, dass es nur den Kollegen und garantiert nie ihn selbst erwischen wird.“ Diese Erfahrung macht Dr. Peter Kleisinger, der als Versicherungsmakler mit Schwerpunkt für die Uhren-Schmuck-Branche tätig ist, seit Jahren. Er ortet eine wachsende Verdrängungsmentalität bei der Sicherung von Juweliergeschäften. „Außerdem sind Inhaber und ihre Mitarbeiter oft auch persönlich stark gefährdet. Es trifft nicht immer nur die anderen“, weiß er aus der Praxis.

Täter werden immer brutaler

Dabei sind längst nicht mehr nur die gehobenen Juweliere in den Zentren der Großstädte das Ziel von Ganoven. Immer mehr Raub- und Einbruchsdelikte finden in kleineren Bezirksstädten statt, wie die jüngsten Beispiele aus Gleisdorf und Judenburg zeigen. Und auch B-Lagen in Großstädten sind für die Täter attraktiv geworden. „Daher sollten auch diese eher kleinen Juweliere ihre Sicherheitskonzepte kritisch hinterfragen“, plädiert Kleisinger für mehr Sicherheitsbewusstsein in der Branche, in der oft noch Sicherheitsstandards wie in den 1970er-Jahren vorherrschen. „Es geht darum, darüber nachzudenken, was man mit verhältnismäßig wenig Aufwand tun kann. Meist sind sehr wirksame Lösungen verblüffend einfach, dennoch ist die Beratungsresistenz hoch. „Ich denke, dass wir noch sehr viel Bewusstseinsförderung bei den Juwelieren betreiben müssen.“

Sicherheitskonzepte auf dem Prüfstand

In 1-A-Lagen gehen die Straftaten aufgrund der besseren Absicherung zurück. „Wobei generell die Anzahl der bewaffneten Raubüberfälle und die Brutalität der Täter in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, was auch auf die EU-Osterweiterung zurückzuführen ist“, sagt Sicherheitsexperte Martin Winckel vom deutschen Juwelier-Warndienst. Dabei handelt es sich großteils um organisierte Banden. Daher empfiehlt es sich heute unabhängig von Lage und Preisniveau für jeden Schmuck- und Uhrenhändler, sein Sicherheitskonzept auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls anzupassen. Auch Winckel sagt, dass die meisten Juweliere bei der Sicherheit extremen Nachholbedarf haben. „Die allerwenigsten sind wirklich ausreichend geschützt, auch im Hinblick auf ihr jeweils individuelles Risiko.“

Prävention im Fokus

Wirklich entschlossene Täter von einer Straftat abzuhalten, ist nicht einfach, selbst wenn es sich nicht um Profis handelt. Aber gerade Gelegenheitstäter suchen sich nach Möglichkeit ein leichtes Ziel. Eine massive mechanische Außensicherung mit gutem Auslagen- und Eingangstürschutz in Verbindung mit einer modernen Einbruchmeldeanlage kann hier schon genügen, um Einbrecher abzuschrecken. Eine diskrete, jedoch für kriminelle Kundschafter deutlich erkennbare Videoüberwachung signalisiert potenziellen Tätern zudem eine hohe Gefahr, nach der Tat identifiziert und gefasst zu werden.

Lässt sich ein Täter von Außensicherung und Videoüberwachung nicht abschrecken, ist es wichtig, dass die Raubüberfallmeldung mittels Raubüberfalltaster oder Sender direkt an die Polizei verbunden ist und die Mitarbeiter für solche Fälle geschult werden. Schulungen finden laut Winckel selten statt: „Die meisten werden kalt erwischt und sind unvorbereitet.“ Dadurch sei auch der psychologische Schaden nach einem Überfall entsprechend hoch. „Traumatisierte Verkäufer generieren weniger Umsatz“, gibt Kleisinger zu bedenken.

„Egal wo, die Lage wird zuerst immer ausgekundschaftet“, sagt Kleisinger. „Wir versuchen mit psychologischen Schulungen zu vermitteln, wie man diese Kundschafter vertreibt.“ Auch empfiehlt Kleisinger u.a. den Einbau von Nebengeräten und Vitrinenverstärkung, um Täter abzuschrecken, die mit dem Zeitfaktor rechnen müssen. Durch professionelle Sicherheitsmaßnahmen lasse sich das Risiko um 80 Prozent reduzieren. „Und im Geschäft ist ein gut geschultes und eingespieltes Team viel schwerer zu knacken.“

Sicherheit verstärken

Wussten Sie, dass Panzerglas mit nur drei Axthieben eingeschlagen werden kann und gut organisierte Banden nicht länger als eine Minute brauchen, um Ihre gesamten Auslagen leerzuräumen? Während einer der Täter die Mitarbeiter mit einer Waffe in Schach hält, schlagen die anderen die Vitrinen und Schaufenster von innen ein und raffen die Beute an sich. Bei dieser Vorgehensweise spielt die Art des Sicherheitsglases eine wichtige Rolle, wird Sicherheitsexperte Kleisinger nicht müde zu betonen. „Eine Tat dauert heute zwischen einer halben und drei Minuten. Das ist das Zeitfenster, wo praktisch keine Gefahr besteht, dass vorher die Polizei eintrifft. Geht das Glas nicht kaputt, treten die Täter ganz schnell den Rückzug an, weil das Zeitfenster abläuft. Das gilt ebenso für die Schaufenster wie für die Innenvitrinen. Die neuen Polycarbonat-Sicherheitsgläser etwa sind um ein 20-faches stabiler und trotzdem leichter und dünner als herkömmliches Panzerglas, das man mit der richtigen Ausrüstung in sieben Sekunden knacken kann.“ Kleisinger ist auch ein Verfechter von Vitrinen aus Polycarbonat, „wo man die Ware nicht abends in den Tresor räumen muss. Wenn Sie diese Arbeitszeit von zwei Personen zweimal am Tag aufs Jahr rechnen, die sie sich durch das Ein- und Ausräumen täglich ersparen, haben sich die Kosten dafür bald amortisiert“, argumentiert er durchaus wirtschaftlich.

„Nur unter massiven Auflagen der Versicherungen werden die Sicherungen umgesetzt. Von alleine passiert gar nichts“, kritisiert auch Robert Goliasch, Fachgruppenobmann der Wiener Berufsdetektive und Sicherheitsberater. Zeitgemäße Alarmsysteme, durchbruchshemmende Verglasung und mechanischen Außenschutz (Rollgitter) hält er für Mindest-
sicherheitsstandards. Kleisinger vergleicht: „Das wäre ja so, als ob ich ein Auto ohne Pickerl und mit kaputten Reifen fahre und nach einem Unfall erwarte, dass die Versicherung den Schaden bezahlt, ohne zu regressieren.“

Dabei kann man oft mit geringen Investitionen von 5.000 bis 15.000 Euro das Sicherheitsniveau seines Geschäftes massiv steigern und so potenzielle Täter abhalten, die naturgemäß den Weg des geringeren Widerstandes suchen. Verglichen mit dem Schaden einer schweren Verletzung bei einem Überfall wahrlich verkraftbar. Kleisinger sagt: „Gute mechanische Sicherungen – seien es die Türen oder das Sicherheitsglas bei Schaufenstern und Vitrinen – setzen dem Angreifer hohen Widerstand und massive Zeitverzögerung entgegen.“ Deshalb kann die mechanische Sicherung durch elektronische Systeme nur ergänzt, aber niemals ersetzt werden.

Prophylaxe

Eindeutig das schwächste Glied in der Kette ist für Sicherheitsexperten die Eingangstür zum Geschäft. Einbrecher nutzen zu 70 Prozent eine zu schwach gesicherte Eingangstür, um sich Zutritt zu verschaffen. Und: Bei Überfällen gibt es aufgrund unversperrter Eingangstüren keine Barriere für Räuber. „Die Schlösser an den Eingangstüren der Juweliergeschäfte sind zum Großteil noch immer unterdimensioniert“, klagt Kleisinger. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Juweliere meist erst dann investieren, wenn sie bereits zu Schaden gekommen sind. „Erst dann wird das Versicherungsthema ernst genommen und vernünftig investiert.“ Nach einem Umbau wollen die Auftraggeber auch sicherheitstechnisch up to date sein, können sich hier aber oft nicht auf Architekten oder Ladenbauer verlassen, die nur auf Optik und Kosten achten, sagt Kleisinger, der auch Beratung im Risk Management anbietet und über ein gutes Netzwerk zu verschiedensten Sicherheitsfirmen verfügt. „Wobei es unbedingt notwendig ist, VOR einem Umbau alle beteiligten Firmen an einen Tisch zu bekommen.“

Jüngste Entwicklung: Um den Tätern den Weg ins Geschäft und auch wieder heraus schwieriger bis unmöglich zu machen, setzt sich im gehobenen Juweliersgeschäft auch hierzulande immer mehr die Sicherheitsschleuse durch, wie jüngste Beispiele etwa von Juwelier Schwödt oder Juwelier Theuerer zeigen. Das System ist simpel: Wer in den Laden oder wieder hinaus will, muss durch die Schleuse – und deren Türen öffnen sich nacheinander nur dann, wenn eine der Türen immer geschlossen bleibt.

Es gibt aber auch relativ kostengünstige Investitionen, die Täter abschrecken und ihnen das Leben schwerer machen können. Sicherheitsnebelsysteme dienen der aktiven Diebstahlprävention. So gibt es Anlagen mit Sicherheitsnebel – etwa von der belgischen Firma Bandit –, die in Österreich über Christian Haberkorn vom Tiroler Sicherheitsspezialisten DataSecure vertrieben werden. Wird über die Einbruchmeldeanlage oder über Mitarbeiter ein Alarm ausgelöst, werden gleichzeitig die Nebelsysteme aktiviert. In Sekundenschnelle wird der geschützte Bereich in einen dichten, gesundheitsunschädlichen Nebel gehüllt, die Sichtweite des Täters auf wenige Zentimeter verringert. Somit werden die Möglichkeiten des Einbrechers, Beute zu erkennen und einzustecken, erheblich reduziert. Außerdem ist dieser Nebel völlig rückstandsfrei.

Achtung zu Weihnachten

Gerade der Trubel zu Weihnachten wird verstärkt für Diebstähle genutzt. Hier sollte rechtzeitig bei den Mitarbeitern das Thema Sicherheit in Erinnerung gerufen werden, rät auch die Diadoro-Gruppe ihren Mitgliedern. Orte der Alarmknöpfe und deren Einsatz sollten ebenso besprochen werden wie das Verhalten bei verdächtigen Kunden. Und es sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass Schaufenster und Vitrinen immer geschlossen sind und der Vitrinenschlüssel immer sicher verwahrt wird.

Fazit

Verbrecherbanden in ganz Europa haben sich professionell organisiert und schlagen gezielt zu – dabei sind nicht nur High-End-Juweliere im Visier der Räuber, sondern gerade auch die kleinen Läden, die häufig zu wenig gesichert sind. Die traurige Wahrheit ist aber, dass viele Juweliere diese unangenehme Tatsache nicht wahrhaben wollen und die drohende Gefahr verdrängen. Veraltete Alarmanlagen, unaufmerksames Personal und schlecht gesicherte Vitrinen und Schubladen sind aber sprichwörtliche Einladungen für Trickdiebe, Einbrecher und Räuberbanden. Dabei müssen Präventionsmaßnahmen und die richtige Versicherung, die alle eventuellen Schäden abdeckt, nicht teuer sein.

Workshop und Infoabend

Vor Trickdiebstahl schützen

Diebe sind sowohl Kleinkriminelle als auch organisierte Banden aus Osteuropa. Wie gut die Chancen stehen, einen Profidieb abzuwehren, behandelt das Symposium: „Kleine Steine / Große Steine: kleiner Diebstahl – großer Trickdiebstahl“ am 16. Jänner 2015 ab 18 Uhr

Ort: Schubert Steinzentrum, 1230 Wien, Breitenfurter Straße 249

Es besteht auch die Möglichkeit, sich zu einem Workshop anzumelden, der bereits um 15 Uhr beginnt.
Nähere Informationen bei Pi Consulting GmbH
Tel.: 01/877 2479 oder j.soukal(at)euveron.at

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